Fast alle Klassen optimal besetzt: Zum Auftakt der Bundesliga-Rückrunde entscheidet der ASV Mainz die Begegnung bei Alemannia Nackenheim souverän mit 19:10 für sich.

Als Tamas Levai nach etwas mehr als zwei Minuten die Faust emporreckte, schien es doch noch einmal spannend zu werden. Levai hatte Dzhan Bekir, der stilartfremd im 80 Kilo-Limit des Greco antrat, technisch überlegen bezwungen und damit den SV Alemannia Nackenheim vor den beiden abschließenden Kämpfen des Derbys gegen den ASV Mainz 88 auf 10:13 herangebracht.

Doch bereits das nächste Duell sorgte für die Entscheidung. Der 88er Ruhullah Gürler gewann 2:0 gegen Dario Schmidhuber, und die Gäste lagen damit im Sportzentrum Laubenheimer Ried uneinholbar in Führung. Die bauten sie noch auf 19:10 aus, weil Tim Müller zum Abschluss erwartungsgemäß den Nackenheimer Danilo Bauer wie in der Hinrunde technisch überhöht schlug. Die 88er hatten auch das vierte Aufeinandertreffen mit dem Lokalrivalen für sich entschieden.

„Wir haben klar und souverän gewonnen“, bilanzierte Cheftrainer Davyd Bichinashvili. „Großes Lob an die Mannschaft.“ Da zur gleichen Zeit die Red Devils Heilbronn dem KSV Witten mit 13:15 unterlagen, eroberten sie auch die Tabellenführung in der Nordweststaffel zurück.

Cakici muss auf Kulynycz verzichten

Schon als die Kontrahenten beim öffentlichen Wiegen ihre Aufstellung preisgaben, deutete sich an, dass die Mainzer bessere Karten hatten. Mit Ausnahme des 80-Kilo-Limits hatten sie alle Klassen optimal besetzt, dafür waren sie erstmals nahe an die Punkteobergrenze von 28 gegangen. Bekir als Eigengewächs brachte minus zwei Zähler ein und drückte damit die Summe auf 26. „Das war eine taktisch kluge Aufstellung“, lobte selbst Cengiz Cakici. „Aber es war klar, dass sie stark stellen würden. Es ging um ein Derby, einen Prestigekampf.“

Der Nackenheimer Trainer hingegen konnte nicht all seine Asse bringen. Arkadiusz Kulynycz will bei der Olympiaqualifikation im nächsten Jahr im Mittelgewicht bis 86 Kilo antreten. Bis dahin möchte er zumindest nicht mehr regelmäßig für das 80-Kilo-Limit Gewicht machen – damit fiel er aus.

Dass Roman Asharin den Status eines Nicht-EU-Ausländers hat, hatten die Alemannen bisher als kleines Betriebsgeheimnis gehütet. Asharin startet international zwar für Ungarn, ist aber gebürtiger Ukrainer. Da in der Bundesliga aber pro Begegnung nur ein N-Ausländer auf die Matte darf und Cakici sich für Asharin entschieden hatte, waren Weltmeister Eldaniz Azizli und Khasan Badrudinov außen vor. „Wir mussten taktisch stellen und versuchen, die Lücken der Mainzer zu finden“, erläuterte Schwergewichtler Robin Ferdinand. „Wir mussten ins Risiko gehen.“

Kudrynets kommt unter die Räder

Cakici verteidigte seine Entscheidung, auf Azizli zu verzichten und stattdessen Burak Demir stilartfremd im Greco-Fliegengewicht einzusetzen. „Den Versuch war es wert“, sagte der Trainer. „Es fing mit der 3:0-Führung ja auch gut an.“ Demir profitierte von einer Passivitätsverwarnung für Cihat Liman und erhöhte mit einer Kopfklammer. Doch dann machte sich die Unerfahrenheit des 16-Jährigen bemerkbar. Er lief seinem vier Jahre älteren Kontrahenten in einen Kopfhüftzug, aus dem er sich nicht mehr befreien konnte. Liman beendete die Auseinandersetzung nach rund zwei Minuten mit einem Schultersieg.

Da die Nackenheimer noch vor der Pause die von Cakici als offen erwarteten Kämpfe im Schwer- und Leichtgewicht verloren, schwanden die Hoffnungen der Gastgeber auf eine Überraschung. Ferdinand gab zwei Punkte gegen Gabriel Stark ab (siehe: Körner verbrannt und einmal gepennt), Ruslan Kudrynets kam gegen den Mainzer Debütanten Dawid Ersetic ordentlich unter die Räder.

„Das hatten wir so nicht erwartet“, kommentierte der Trainer Kudrynets‘ 0:3. „Ruslan ist früh in Rückstand geraten. Dann ist es schwer, das gegen einen so erfahrenen Mann noch aufzuholen.“ Bereits zur Pause lag Ersetic 9:0 vorne. Etwas erstaunt über den klaren Ausgang war auch Bichinashvili, schließlich ringt Ersetic international im 60-Kilo-Limit. „Dawid

hat überraschend hoch gewonnen“, sagte der Mainzer Trainer. „Er hat seinen Gegner zerstört und für die Mannschaft gerungen.“ Der Pole mit deutschem Pass empfahl sich damit auch für weitere Einsätze. „Dawid hat klar überzeugt“, sagte Bichinashvili. „Wir können weiter mit ihm planen.“

Duell der Extraklasse

Da der aus dem eigenen Nachwuchs stammende Lucas Günther gegen Ahmet Peker vorhersehbar vier Mannschaftspunkte abgab, lagen die Alemannen nach der Hälfte der Kämpfe bereits mit 1:13 zurück. Lediglich Denis Kudla hatte für sie in der Neuauflage des Duells mit seinem Kumpel Etka Sever – diesmal im Halbschwergewicht – gepunktet. Die beiden Freunde schenkten einander nichts und boten einen Greco-Kampf der Extraklasse. „Das hat Spaß gemacht“, sagte Bichinashvili. „Beide sind Weltklasseringer.“ Sever hatte seit Langem wieder einmal Gewicht gemacht, um im 98-Kilo-Limit antreten zu können. Darauf hatten die Alemannen ihre Hoffnung gesetzt. „Ich hatte eher mit einem klaren Sieg von Denis gerechnet“, räumte Cakici ein. „Etka war nicht der Aktivere, aber er hat es gut gemacht.“

Kudla war mit einer 1:0-Führung in die Pause gegangen, erhielt in der zweiten Runde aber eine 2-Punkte-Strafe wegen eines unerlaubten Fingereinsatzes. Sein Trainer monierte, der Mattenleiter habe den Athleten zuvor nicht ermahnt hatte. Sever erhöhte sogar auf 3:1, ehe Kudla mit einem Wurf den Stand auf 5:3 drehte. Um zwei Mannschaftspunkte mitzunehmen, hätte er noch eine Wertung draufsetzen müssen, stattdessen verkürzte Sever auf 4:5. „Es hätte sogar noch besser ausgehen können“, sagte Bichinashvili. „Mit dem Ergebnis können wir aber leben.“

Diesmal blieb’s friedlich

Die Nackenheimer Aufholjagd eröffnete im zweiten Abschnitt Ahmed Dudarov mit einer starken Leistung. Nur ein Wertungspunkt fehlte ihm nach sechs Minuten zu einem technisch überlegenen Sieg über Abdulkadir Özmen. Ein rassiges Duell lieferte sich Asharin mit dem 88er Niklas Dorn, der sich nach einer Knieoperation erst vor Kurzem zurückgemeldet hatte. Die erste Runde ging mit 1:0 an Dorn, da der Alemanne eine Aktivitätszeit nicht genutzt hatte. Als auch der 88er innerhalb von 30 Sekunden eine Wertung hätte erzielen müssen, nutzte Asharin das zu einen Takedown und legte zwei weitere Punkte zum 4:1-Sieg nach. „Das war von beiden ein sehr ansehnlicher Kampf“, lobte Cakici. „Sie kennen sich, sie haben bei der U23-Weltmeisterschaft gegeneinander gerungen.“ Asharin habe hinten heraus die Akzente gesetzt.

So ganz war die Rechnung der Alemannen damit aber nicht aufgegangen. Azizli – davon kann man ausgehen – hätte 4:0 gewonnen. Selbst wenn ein Nackenheimer, beispielsweise Koray Cakici, gegen Dorn vier Punkte abgegeben hätte, wären die Gastgeber mit einem 4:4 aus diesen beiden Klassen herausgegangen, jetzt waren die Mainzer mit 4:2 im Vorteil. Levai sorgte zwar noch für das 10:13. Danach jedoch waren wieder die 88er an der Reihe und brachten den vierten Derbysieg sicher nach Hause.

Anfeindungen zwischen den Mannschaften blieben diesmal aus. Dafür hatte auch Lotto Rheinland-Pfalz, der Hauptsponsor beider Kontrahenten, mit einem Banner gesorgt, hinter dem sich die Athleten vor dem ersten Kampf versammelten. „Ringen: Ein internationaler Sport, der verbindet“, hatte darauf gestanden. Daran hielten sich Athleten und Betreuer. Auch nach der Begegnung standen Ringer beider Lager friedlich ins Gespräch vertieft zusammen.