Erster Sieg nach zwei Monaten: Ringen-Bundesligist Alemannia Nackenheim bezwingt den RV Lübtheen mit 18:12.

Fast zwei Monate hatten die Ringer des SV Alemannia Nackenheim auf ihren dritten Saisonsieg in der Bundesliga warten müssen. Gegen den RV Lübtheen setzten sie dieser Serie mit einem 18:12 ein Ende und verschafften sich drei Punkte Vorsprung auf die beiden letzten Plätze in der Nordweststaffel. „Wichtig war, dass wir vor heimischem Publikum gewonnen haben“, sagte Cengiz Cakici. „Alle Leute sind mit einem Lächeln nach Hause gegangen.“

Zu 80 Prozent sei er von einem Erfolg überzeugt gewesen, als er die Aufstellung gesehen habe, gab der SVA-Trainer an. „Die Schlüsselkämpfe im Greco-Leicht- und -Weltergewicht haben wir zu unseren Gunsten entschieden. Dann gewinnst du eine solchen Begegnung.“

Aber nicht nur die Siege von Ruslan Kudrynets und Tamas Levai gaben den Ausschlag. Es waren viele kleine Bausteine, die den Nackenheimer Sieg ermöglichten. Dabei waren es – wie so häufig bei Mannschaftskämpfen – auch und gerade die unterlegenen Alemannen, die den Erfolg ermöglichten.

Burak Demir hält sich ans Defensivkonzept

Burak Demir zum Beispiel lieferte trotz seiner erst 16 Jahre dem erfahrenen Mitko Asenov ein taktisch kluges, diszipliniertes Duell im Freistil- Federgewicht. Demir war nicht angetreten, um den 30-jährigen Bulgaren zu bezwingen, sondern sollte seine Niederlage so gering wie möglich halten. Darauf hatten ihn Cakici und dessen Kotrainer Ahmet Demir eingeschworen. „Sie hatten mir gesagt: Du musst nur reagieren“, berichtete Burak anschließend. „Wenn ich angreife, musste ich sicher sein, dass ich den Punkt mache.“ Erst in den letzten 25 Sekunden, so es der Stand der Begegnung erfordere, solle er eine aggressivere Gangart einschlagen.

Demir hielt sich an das Konzept. Das sah vielleicht nicht immer schön aus, weil er sich auf die Verteidigung beschränkte, war aber clever und effektiv. Über die gesamten sechs Minuten ließ er keine Wertung seines Gegners zu. Das zog selbstverständlich Passivitätsverwarnungen nach sich, zweimal musste der Nackenheimer in die Aktivitätszeit und gab dadurch Punkte ab. Doch bis fünf Sekunden vor dem Gong hielt er diesen 0:2-Rückstand, der nur einen Mannschaftszähler gekostet hätte.

In zwei Jahren Kämpfe gewinnen

Dann machte der Alemanne einen Schritt zu viel nach hinten. Mattenleiter Marvin Manz, der ihn zuvor schon energisch zu größerer Aktivität aufgefordert hatte, blieb fast keine andere Wahl, als ihn mit einem Passivitätspunkt zu bestrafen. In der verbleibenden Zeit zeigte Demir, dass er auch anders kann. Er griff stürmisch an, um sich den Punkt zurückzuholen, doch die Attacken kamen zu spät. „Ich habe Vollgas gegeben, aber es hat nicht mehr gereicht“, stellte der 16-Jährige fest. Zufrieden und stolz war er dennoch. „Ich habe mehr Kraft als zu Beginn der Runde, habe auch neue Techniken gelernt. Aber es ist meine erste Bundesligasaison. In ein, zwei Jahren kann ich dann Kämpfe für mich entscheiden.“

Cakici lobte seinen Youngster. „Burak hat einen Bombenkampf gemacht“, sagte der Trainer. „Dabei war er platt, weil er mit der Nationalmannschaft im Trainingslager war.“ Und der Verein habe ihn ja auch nicht als Siegringer in den Kader geholt.

Ebenso beeindruckend war die Leistung von Greco-Mann Dario Schmidhuber im 80-Kilo-Limit gegen Rajbek Bisultanov. Der als Silbermedaillengewinner der gerade zu Ende gegangenen U-23-Weltmeisterschaften angereiste Europameister verfügt auch über WM-Erfahrung bei den Männern. Gegen ihn ging es für Schmidhuber, der seine erste Bundesligasaison bestreitet, nur um Schadensbegrenzung.

Schmidhuber setzt die Schleuder an

Im Stand ließ der Alemanne nichts zu. Am Boden aber konnte er zwei hohe Wertungen nicht vermeiden und ging mit einem 0:10-Rückstand in die Pause – das sah schon gefährlich nach einer technisch überhöhten Niederlage aus. Die nahm in der zweiten Runde immer mehr Gestalt an. Bisultanov erhöhte anderthalb Minuten vor Schluss auf 14:0, nur noch ein Punkt fehlte dem Dänen zum vorzeitigen Sieg. Als alles andere nichts nutzte, wollte er den Alemannen zehn Sekunden vor dem Gong aus der Kampfzone drücken. Doch darauf hatte Schmidhuber nur gewartet. „Ich wusste, dass jetzt die Schleuder kommt“, sagte Cakici. Tatsächlich legte Schmidhuber den Lübtheener auf die Matte und wendete mit dem 2:14 die Höchststrafe ab. Während die Zeit herunterlief, hüpfte Cakici am Mattenrand wie ein Gummiball auf und ab. „Das hat mich für meinen Mann gefreut“, sagte der Trainer. „Er hat was probiert.“

Ähnlich machte es Danilo Bauer. Er lag ebenfalls schon 0:12 zurück, ehe er mit einem Takedown zum 2:12 eine überhöhte Niederlage verhinderte. Allerdings hatte sich Bauer bis dahin unter Wert verkauft. Mit seinem aufrechten Kampfstil hatte er Beinangriffe geradezu provoziert. „Danilo war platt vom Gewichtmachen“, erläuterte Cakici. „Das hat man ihm angesehen, aber das gehört zum Ringen dazu.“ Bauer habe zu verhalten gerungen. Doch mit der einen Aktion hatte er alles wieder gutgemacht. „In einer extrem schwierigen Situation hat er noch einen Zweier rausgeholt“, konstatierte der Trainer.

Siegringer holen das Maximum

In der Summe sorgten diese kleinen Erfolgserlebnisse dafür, dass die Gäste zu keinem Zeitpunkt eine Aufholjagd beginnen konnten. Erst im letzten Kampf, als die Begegnung bereits entschieden war, kassierte Bekir Demir eine technisch überhöhte Niederlage, die einzige auf Nackenheimer Seite an diesem Abend.

Die Siegringer der Alemannen dagegen holten das mögliche Maximum heraus. Weltmeister Eldaniz Azizli brauchte keine zwei Minuten, um im Greco- Fliegengewicht Nikolai Mohammadi technisch überlegen zu bezwingen. Als der Lübtheener in die Bodenlage musste, war es um ihn geschehen: Siebenmal hintereinander drehte ihn der Aserbeidschaner über die Matte.

Eine Punktlandung verbuchte Robin Ferdinand im Freistil-Schwergewicht gegen Marcel Böhme: Eine Minute vor Schluss machte er den Punkt zum 11:3, der drei Mannschaftszähler einbrachte. Ganz zufrieden war Cakici allerdings nicht. „Robin hat stark angefangen“, sagte er. „Aber er hat zu wenig seine Stärken, sprich: die Armklammer, eingesetzt.“ Da die beiden einander aus dem gemeinsamen Kadertraining kennen, sei das allerdings auch schwierig. Und die drei Mannschaftszähler waren in Ordnung.

Kudla gewinnt kampflos

Wegen einer Verletzung hatten die Gäste das Halbschwergewicht kurzfristig unbesetzt lassen müssen, Denis Kudla kam dadurch kampflos zu vier Punkten. Ahmed Dudarov holte ebenfalls das Optimum heraus, musste dafür aber Schweiß vergieße, wenn es auch nach einer 9:0-Pausenführung recht fix ging. Nachdem er Ceven Matthes zu Boden gebracht hatte, drehte er ihn zweimal – und sein vorzeitiger Sieg stand fest.

Knapp ging es in den Schlüsselkämpfen zu. Kudrynets hatte Junioren- Europameister Andrej Ginc in der ersten Runde klar beherrscht und war mit 5:0 in die Pause gegangen. Im zweiten Abschnitt aber bekam sein 20-jähriger Gegner Oberwasser. Einen ersten Angriff auf die Hüfte wehrte Kudrynets noch ab, im zweiten Versuch kam Ginc durch und war fortan der Aktivere. Der Alemanne wurde wegen Passivität verwarnt, konnte nicht verhindern, dass er am Boden gedreht wurde und lag 5:6 zurück. Indem er Ginc aus der Kampfzone schob, glich er noch aus und gewann aufgrund der letzten Wertung.

In einem hochklassigen Duell bezwang Levai im Greco-Weltergewicht den Dänen Frederik Bjerrehuus mit 5:1 und stellte damit im vorletzten Kampf den Nackenheimer Sieg sicher (siehe: Souverän mit 90 Prozent). Den ersten seit fast zwei Monaten.