Ein Triumph in Bildern: In Nur-Sultan macht Denis Kudla die Olympia-Teilnahme perfekt.

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NACKENHEIM/NUR-SULTAN – Am Rande der Matte sank Denis Kudla in die Hocke, schlug die Hand vor’s Gesicht und konnte die Tränen nicht mehr halten. Die Emotionen überwältigten den Ringer von Alemannia Nackenheim, unmittelbar nachdem er den Iraner Ramin Taherisartang im WM-Viertelfinale bezwungen hatte. Ein harter Kampf: Der Iraner beackerte den Deutschen mit allen Mitteln, erwischte ihn an der Lippe. Blutend brachte er das Duell im 87 Kilo-Limit zu Ende, entschied es für sich, da ihm die letzte Wertung gehörte. Mit dem Einzug ins Halbfinale löste Kudla sein Ticket für die Olympischen Spiele 2020 in Tokio. „In dem Moment hat es Denis überkommen“, schildert Michael Carl. Von seinem Schützling fiel die Last mehrerer Jahre ab. „Eine Riesenerleichterung“, sagt der Greco-Bundestrainer.

Seit Kudlas überraschendem Olympia-Bronze 2016 als 21-Jähriger lag die Latte für ihn ziemlich hoch. „Es gibt Leute, die fallen nach der Erfüllung ihres Traums in ein Loch“, weiß Carl, „weil sie mit dem Erfolg zufrieden sind oder mit dem höheren Erwartungsdruck nicht zurechtkommen.“ Nicht so Kudla. „Ich denke, es ist gut, dass ich die Medaille schon habe. Druck mache ich mir keinen. Und meine Familie steht so oder so hinter mir“, hatte der 24-Jährige zu Jahresbeginn bereits gesagt. Dazu kommt seine einzigartige Einstellung. Kudlas Nackenheimer Vereinstrainer Cengiz Cakici schwärmt regelmäßig von ihm: „Er lebt diesen Sport zu eintausend Prozent, von morgens bis abends. Ein brutaler Vollblut-Profi. Als Trainer kann man sich keinen Besseren vorstellen.“

„Jeden Kampf angehen, als wäre es der letzte“

Den Beinamen „Mister Zuverlässig“ trägt Kudla schon länger: Angesichts von Platz drei bei Olympia, drei EM-Bronze-Medaillen und WM-Silber 2017 mehr als verdient. 2018 schaffte er es in Budapest hingegen nicht aufs Treppchen, haderte danach mit sich selbst: „Ich war konditionell nicht am Ende. Da hätte ich mir in den Arsch beißen können, weil ich es zu locker angegangen bin.“ Im Nachgang schwor er sich, ab sofort „in jeden Kampf mit der Einstellung zu gehen: Es könnte der letzte sein“. Mit Jahresbeginn erhöhte das Greco-Nationalteam die Schlagzahl, steigerte die Trainingsumfänge. Das zahlte sich aus: In Kasachstan gab Kudla in jedem Kampf bis zum Schlussgong Vollgas. Das Resultat: erneut Bronze. Für ihn eine Zugabe zur Olympia-Quali, um die es diesmal primär ging. Angesichts zahlreicher hochkarätiger Konkurrenten, die früh die Segel streichen musste, erneut eine „Riesenleistung“, lobt Bundestrainer Carl. Das Finale blieb Kudla dennoch verwehrt, weil er knapp gegen den späteren Weltmeister Zhak Beleniuk 1:2 verlor. Den Ukrainer sieht Carl als „Topfavoriten“ für Tokio, hält ihn aber nicht für unschlagbar. Das allerdings ist Zukunftsmusik. Zunächst gönnt der Bundestrainer seinem Champion erstmal eine Auszeit. Am Dienstagabend ging es mit dem gesamten Greco-Team zur Feier in ein kasachisches Restaurant. „Und ich habe Denis gesagt, dass er die nächsten drei, vier Wochen das Leben mal genießen soll.“ Das ist nötig, denn „das Jahr war sehr hart“.