Im letzten Heimkampf der Bundesligasaison schlägt Alemannia Nackenheim den SC Kleinostheim mit 26:8. Die Schultersiege von Dario Schmidhuber und insbesondere von Tamas Levai sorgen für die Highlights eines begeisternden Kampfabends.

Mattensturm in der Ringerhalle: Als Schiedsrichter Juri Schmatow abklopfte, stürmten von zwei Seiten Trainer, Betreuer, Athleten und Fans des SV Alemannia Nackenheim auf Tamas Levai zu und verbargen den Ungarn unter einer Jubeltraube. Dem 19-Jährigen war gerade eine Sensation gelungen – er hatte Aleksandar Maksimovic, den EM-Zweiten und WM-Fünften von 2016, auf die Schultern gedrückt.

Der Sieg über den SC Kleinostheim im letzten Heimkampf der Bundesligasaison hatte schon vorher festgestanden. Dank Levais Coup aber wurde es der deutlichste Erfolg der Alemannia in der laufenden Runde, daran änderte auch die technisch überhöhte Niederlage von Danilo Bauer im abschließenden Kampf nichts mehr. Die Nackenheimer gewannen 26:8, hatten dabei acht von zehn Duellen für sich entschieden und verbesserten sich auf den fünften Tabellenplatz. „Wahnsinn“, sagte Cengiz Cakici. „Dass es so sensationell läuft, hätte ich auch nicht gedacht.“

 Staunender Trainer, begeisterte Fans

Mit einem Sieg hatte der Trainer schon angesichts der Pausenführung von 11:4 gerechnet. Doch was in den ersten vier Kämpfen des zweiten Abschnitts abging, versetzte nicht nur ihn in Staunen – die Nackenheimer Fans unter den rund 450 Zuschauern waren restlos begeistert. Der solide mit kleinen Wertungen herausgekämpfte 3:0-Sieg von Ahmed Dudarov im Freistil-Mittelgewicht über Marcus Plodek und der technisch überlegene Erfolg von Roman Asharin, der Can Özgün im 71-Kilo-Limit mit zahllosen Beinangriffen zermürbte, waren noch nicht die riesigen Überraschungen.

Von Dario Schmidhuber hingegen hatten sich die Alemannen bestenfalls einen knappen Sieg erhofft. Und zunächst sah es nach einer Niederlage aus. Schmidhuber hatte eine Passivitätsverwarnung kassiert, konnte nicht verhindern, dass Christopher Fersch ihn am Boden drehte und ging mit einem 0:3-Rückstand in die Pause.

Wie Rumpelstilzchen über die Matte

Viel besser sah es auch in der zweiten Runde nicht aus. Fersch bekam den Alemannen in einer Kopfklammer zu fassen und drängte ihn langsam zum Mattenrand. „Er läuft mit mir zur Zone, weil er weiß, dass ein Wurfversuch riskant ist“, erläuterte Schmidhuber später. „Ich wusste, was er vorhat und habe ihn abgefangen. Ich habe gespürt, dass da Luft ist.“ Fersch ließ sich nach hinten fallen und wollte den Nackenheimer über seinen Körper ziehen. Das Vorhaben schlug fehl. Der Kleinostheimer landete auf der Matte, doch Schmidhuber lag über ihm, befreite sich aus dem Griff und drückte ihn nach kurzer Gegenwehr auf den Rücken. Cakici hatte schon in den Startlöchern gestanden. Kaum hatte Schmatov abgeklopft, hüpfte der Trainer wie Rumpelstilzchen über die Kampffläche. „Sonst renne ich ja nicht so oft über die Matte“, sagte der Trainer. „Aber ich habe mich so gefreut, gerade für Dario.“

Lange hatte der Nackenheimer Neuzugang, der vor dieser Saison nie höher als in der Oberliga aktiv war, auf seinen ersten Erfolg in der Bundesliga warten müssen. Vor zwei Wochen gelang er ihm gegen den Aachener Rabbia Khalil, jetzt legte er den zweiten Sieg nach. „Ich musste mich erst zurechtfinden“, sagte Schmidhuber. „Aber Cengiz und die Mannschaft haben immer hinter mir gestanden. Zum Glück kann ich jetzt auch den ein oder anderen Erfolg feiern.“

Levai mit Urgwalt

Damit war die Entscheidung zu Gunsten der Gastgeber bereits gefallen, als Levai und Maksimovic zur Tat schritten. Zwei Weltklasseathleten, der erfahrene Kleinostheimer und der hoch talentierte Alemanne, der den Hinrundenkampf mit 0:1 verloren hatte, lieferten sich ein Duell auf höchstem Niveau. Schmatov erteilte Levai recht früh eine Passivitätsverwarnung. Der Ungar musste in die Bodenlage, Maksimovic setzte seinen Griff am Kopf an. „Damit hatte ich nicht gerechnet“, sagte Levai nach der Begegnung. „Denn da ist es einfacher, sich zu befreien. Ich hatte nur einen Gedanken: Ich muss hochkommen.“ Er kam auf die Beine, doch sein Kopf steckte weiterhin in Maksimovic‘ muskulösen Armen. Zweimal setzte der Kleinostheimer zu einem Wurf über seinen Körper an, beim zweiten Anlauf wäre es ihm fast gelungen, Levai über sich zu ziehen. Doch der Alemanne drehte sich in der Luft, befreite sich aus der Klammer und schmiss sich auf seinen Gegner. Der drehte und wand sich, kam aber nicht mehr frei. Mit Urgewalt brach Levai den letzten Widerstand und drückte Maksimovic‘ Schultern auf die Matte. Am Rande der Kampffläche brachen die Dämme.

Cakici: „Das bleibt im Gedächtnis“

„Das ist ein großartiger Moment“, sagte Levai freudestrahlend. „Maksimovic ist ein starker Kämpfer. Ihn zu schlagen, ist ein Schritt in Richtung meiner Träume.“ Der 19-Jährige räumte aber auch unumwunden ein, dass das Duell einen anderen Ausgang hätte nehmen können, wenn sein Kontrahent nicht für einen Sekundenbruchteil die Kontrolle verloren hätte. „Natürlich war auch Glück dabei. Aber wenn du eine solche Chance hast, musst du sie auch erst mal ergreifen.“

Schon zum Abschluss des ersten Abschnitts der Begegnung hatte Ruslan Kudrynets im Greco-Leichtgewicht einen Schultersieg vorgelegt, der freilich auf seiner körperlichen und technischen Überlegenheit basierte. Kudrynets hatte Benjamin Hofmann aus der Bodenlage angehoben, zum Mattenrand getragen und mit einem großen Wurf in den Staub geschickt. Danach ließ er seinen Gegner gar nicht mehr los und vollendete sein Werk kompromisslos. Zuvor hatten Burak Demir (siehe: Viel Adrenalin und der rettende Gong), Robin Ferdinand und Denis Kudla bei einer vorhersehbaren Schulterniederlage von Lucas Günther gegen den Rumänen Ioan Donu für eine 7:4-Führung gesorgt.

Cengiz Cakici sah die Begegnung schon als Werbung für die kommende Saison. „Einen so tollen letzten Heimkampf werden die Leute im Gedächtnis behalten.“